Alles in Ordnung?
„Ihre Blutwerte liegen alle im Normbereich. Ihre Röntgenbilder sind unauffällig. Also alles in Ordnung!“. Solche Aussagen haben vermutlich fast alle Fibromyalgie-Patienten in ihrem Leben schon häufiger gehört, als ihnen lieb ist. Denn obwohl die medizinischen Untersuchungen tatsächlich Normalbefunde ergeben, ist für die Betroffenen meist gar nichts in Ordnung. Viele leiden seit Jahren oder gar Jahrzehnten unter wandernden Schmerzen im ganzen Körper. Hinzu kommen oft ausgeprägte Schlafstörungen, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme. Viele Betroffene leiden auch unter Reizdarmbeschwerden, Herzrasen, Vergesslichkeit und depressiver Stimmung. Belastend für viele Menschen mit Fibromyalgie (korrekt: Fibromyalgiesyndrom) ist neben ihren Symptomen auch die Odyssee, die sie hinter sich haben. Denn bis zur Diagnosestellung vergehen oft Jahre. Und das, obwohl die Fibromyalgie keine seltene Erkrankung ist: Geschätzt sind in Deutschland 3% der Bevölkerung betroffen, Frauen ca. 8x häufiger als Männer.
Die passende Therapie – eine Herausforderung
Selbst wenn die Diagnose „Fibromyalgie“ endlich steht, bedeutet das noch keine rasche Besserung. „Ich war so erleichtert, endlich zu wissen, was mit mir los ist. Endlich hatte meine Krankheit einen Namen. Leider bringen mir die Therapien aber kaum was!“ – solche oder ähnliche Sätze höre ich häufig von Patientinnen. In der Tat – „die einzig wahre“ Therapie gibt es nicht, und eine schnelle Besserung ist eher selten. Klassische Schmerzmedikamente helfen kaum und bringen häufig Nebenwirkungen oder ein Abhängigkeitsrisiko mit sich. Manche Patienten profitieren von niedrig dosierten Antidepressiva. Ich habe in den letzten Jahren die besten Erfahrungen mit der sogenannten „multimodalen Therapie“ gemacht: Dabei werden aktive Trainingseinheiten (regelmäßiges leichtes Kraft- und Ausdauertraining) mit Entspannungsverfahren, Achtsamkeitsübungen, Biofeedback und kognitiver Verhaltenstherapie kombiniert. Dabei ist der Patient Experte für seine Beschwerden und Bedürfnisse: Was dem einen hilft, bringt dem anderen wenig. Geduld und etwas Experimentierfreude sind hier gefragt – beim Arzt und beim Patienten!
Aktiv werden lohnt sich langfristig
Die gute Nachricht: Wer an Fibromyalgie leidet, kann selbst viel für seine Gesundheit tun. Denn die meisten Bausteine der multimodalen Therapie kann man nach fachkundiger Einführung selbst weiterführen. Gerade die Verhaltenstherapie ist eine aktive Therapie und vermittelt dem Patienten konkrete, praktische Techniken zur Schmerz- und Stressbewältigung. Viele meiner Patienten profitieren auch sehr von „PEP“, einer etwas ungewöhnlich anmutenden, ärztlich entwickelten Technik, bei der Patienten bestimmte Körperpunkte (Akupunkturpunkte) selbstständig beklopfen. Dadurch können Schmerzen reduziert sowie Stress und Anspannung abgebaut werden.
Ich persönlich wünsche mir und arbeite daran, dass es für Fibromyalgie-Betroffene in Zukunft leichter wird, hilfreiche Therapien und vor allem auch Selbsthilfetechniken vermittelt zu bekommen. Meine Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Lebensqualität der Patienten sich dann oft nachhaltig bessert.