Diabetes und die Psyche

Der Diabetes mellitus ist eine sehr häufige chronische Erkrankung. In den internistischen Kliniken, in denen ich meine Facharztweiterbildung absolviert habe, war geschätzt jeder dritte bis vierte meiner Patienten Diabetiker – wobei allerdings der Diabetes meist nicht der direkte Grund für die Klinikbehandlung war. Viele Patienten wurden jedoch wegen Folgekrankheiten des Diabetes behandelt.

Dass Menschen mit Diabetes auch häufig psychisch belastet sind, liegt eigentlich auf der Hand, denn:

  • Diabetiker wissen, dass ihre Erkrankung sowohl akute Komplikationen   (z. B. schwere Unterzuckerungen) als auch Langzeitfolgen (z. B. Komplikationen an Herz, Nieren oder Augen) mit sich bringen kann.
  • Wer diese Komplikationen vermeiden möchte, ist gezwungen, auf seine Lebensführung zu achten. Dazu gehören neben der Ernährung ggf. auch die regelmäßige Blutzuckermessung und das Reagieren auf die gemessenen Werte. Alkohol, Sport, Stress und Infekte wirken sich auf die Blutzuckerwerte aus – auch das muss berücksichtigt werden. Viele Diabetiker fühlen sich dadurch überfordert und in ihrer Freiheit eingeschränkt – ständig müssen sie ihre Krankheit „im Blick“ behalten!
  • Diabetiker gehen häufiger zum Arzt als andere Menschen, müssen mehr Medikamente einnehmen und auch häufiger im Krankenhaus behandelt werden.

Depression und Diabetes

Hier besteht ein wechselseitiger Zusammenhang. Die Tatsache, an einer chronischen Krankheit zu leiden, kann zu Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit führen. Viele Betroffene fühlen sich überfordert. Allerdings hat die Depression auch einen ungünstigen Einfluss auf die Diabeteseinstellung: Depressiven Menschen fällt es schwerer als anderen, sich gut um sich selbst und um die eigene Gesundheit zu kümmern. Das kann dazu führen, dass Betroffene ihre Diabeteseinstellung vernachlässigen und auch Arzttermine nicht wahrnehmen. Auch bewegen sich depressive Patienten meist weniger. Eine gleichzeitig bestehende Depression verschlechtert die Prognose des Diabetes nachweislich und sollte unbedingt behandelt werden!

Ängste und Diabetes

Ängste können ganz unterschiedliche Bereiche betreffen: Manche Diabetiker haben große Angst vor akuten Komplikationen, etwa einem durch eine Über- oder Unterzuckerung ausgelösten Koma. Andere sorgen sich vor allem um ihre langfristige gesundheitliche Zukunft. Ich habe auch einige Diabetiker kennengelernt, die sehr große Angst davor hatten, sich selbst Insulin zu spritzen. Manche waren mit Tabletten nur unzureichend einzustellen, baten aber immer wieder darum, von einer Insulintherapie abzusehen. Wenn Sie sich dann doch noch überzeugen ließen, kamen sie aber meist erstaunlich gut damit zurecht!

Verhaltenstherapie bei Diabetes?

Zunächst einmal finde ich es wichtig, dass alle Diabetiker gut über ihre Erkrankung Bescheid wissen. Dazu werden (z. B. in diabetologischen Praxen) sehr gute Schulungen angeboten, in denen Betroffene sich in Kleingruppen Theorie und Praxis aneignen können.

Stellt sich jedoch heraus, dass trotz umfangreicher Informationen starke Ängste und Unsicherheiten bestehen oder zeigen sich Hinweise auf eine Depression, kann eine begleitende Psychotherapie eine gute Unterstützung sein.

In der Verhaltenstherapie geht es darum, den Alltag trotz der chronischen Erkrankung so zu gestalten, dass positive Aktivitäten und Lebensfreude nicht zu kurz kommen. Der Umgang mit krankheitsbedingten Ängsten und Befürchtungen spielt natürlich ebenfalls eine große Rolle.

Übrigens: In Zukunft sollen mehr psychologische Psychotherapeuten speziell für die psychotherapeutische Behandlung von Diabetikern ausgebildet werden – eine sehr positive Entwicklung, finde ich! Meine eigene Kombination (Internistin und Verhaltenstherapeutin) ist ja eher selten anzutreffen.