Vor 12 Jahren trat ich meine erste Stelle als Ärztin an – in der Kardiologie. Schon während des Studiums hatte mich das menschliche Herz fasziniert. Nun drehte sich in meiner Tätigkeit vieles um dieses wunderbare Organ, das so unermüdlich für jeden Menschen im Dauereinsatz ist. Natürlich kamen aber in erster Linie Patienten in unsere Klinik, denen das Herz Probleme bereitete. Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Herzschwäche, Herzklappenfehler, Herzrhythmusstörungen, Entzündungen des Herzens. Manchmal sogar: Herzstillstand. Wiederbelebung.
Vielen konnten wir helfen. Gerade in der Kardiologie haben sich in den letzten Jahrzehnten ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Die Überlebenschancen nach einem Herzinfarkt sind hoch. Mittels Herzkatheter lassen sich Engstellen an den Herzkranzgefäßen meist ohne Operation beheben. Medikamente helfen bei Bluthochdruck und chronischer Herzschwäche.
Das Herz und die Angst
Und dennoch: Manchen meiner Patienten ging es auch nach erfolgreicher Behandlung nicht gut. Nach einem Herzinfarkt quält viele Betroffene die Angst, einen erneuten Infarkt zu erleiden. Aus dieser Angst heraus vermeiden sie häufig körperliche und soziale Aktivitäten, die ihnen eigentlich gut täten. Gerade regelmäßige Bewegung (immer mit dem Arzt abgestimmt) wirkt sich aber positiv auf den Verlauf vieler Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Manche Menschen entwickeln nach der Diagnose einer Herzkrankheit eine Depression, ziehen sich von ihren Mitmenschen zurück und geben vieles auf, was ihnen früher Freude gemacht hat. Die Depression wiederum wirkt sich ungünstig auf den Verlauf ihrer Herzkrankheit aus – ein Teufelskreis entwickelt sich!
Unerklärliche Herzbeschwerden
Manchmal findet man aber auch gar keine fassbare Ursache für Herzbeschwerden. Es kommt immer wieder vor, dass Patienten sich zur Abklärung von Herzrasen, Herzstolpern oder auch Schmerzen im Brustkorb ärztlich vorstellen – ohne dass die Untersuchungen wegweisende Befunde ergeben. Beruhigend ist das für die Betroffenen meist nur kurzfristig, denn die Beschwerden bestehen weiter und vielleicht auch die Angst, es könne sich dennoch eine ernsthafte Erkrankungen dahinter verbergen.
Es ist dann oft nicht einfach, das richtige Maß an notwendigen Untersuchungen zu finden, um einerseits bedrohliche Erkrankungen auszuschließen, andererseits aber auch keinen „Diagnostik-Marathon“ in Gang zu setzen. Ein junger Patient ist mir gut im Gedächtnis geblieben: Er stellte sich mindestens einmal pro Monat in der Notaufnahme vor, weil er große Angst hatte, einen Herzinfarkt zu erleiden. Es war bereits eine Vielzahl an Untersuchungen durchgeführt worden, die meisten schon mehrfach. Ohne Ergebnis. Dieser Patient litt sehr unter seinen Beschwerden. Einer psychosomatischen Behandlung stand er leider zu dieser Zeit sehr ablehnend gegenüber.
Verhaltensmedizin bei Herzbeschwerden
Mit Patienten, die unter Herzbeschwerden leiden, arbeite ich verhaltensmedizinisch, denn Herz und Psyche sind über das vegetative Nervensystem sehr eng aneinander gekoppelt. Die verhaltensmedizinische Behandlung ergänzt dabei die bereits bestehende ärztliche Versorgung. Stress, Angst und Depression wirken sich nachteilig auf unser Herz-Kreislauf-System aus – das ist seit langem bekannt und auch wissenschaftlich nachgewiesen. Herzerkrankungen können wiederum Stress und Ängste fördern – das versteht sich ja eigentlich von selbst. Doch jeder Betroffene hat seine eigene Geschichte. Die individuellen Zusammenhänge kennen- und verstehen zu lernen ist der erste Schritt, aus dem sich dann wirksame Therapiemöglichkeiten ergeben. In manchen Fällen ist eine Psychotherapie sinnvoll. Und zwar sowohl bei Menschen, bei denen eine organische Herzkrankheit besteht, als auch bei denen, für deren Beschwerden keine eindeutige körperliche Ursache gefunden wurde.